Erfolgsfaktor Industrialisierung
Die Bankenbranche steht vor großen Herausforderungen, die auf mittlere Sicht zu einem tiefgreifenden Strukturwandel führen werden. Um sich auf dem hart umkämpften Markt zu behaupten, kommt keine Bank umhin, die eigenen Geschäftsprozesse kritisch zu überprüfen und sie sukzessive zu industrialisieren.
Europas Banken stehen unter Druck – und dies an mehreren Fronten: Die anhaltende Eurokrise hat das Zinsniveau auf ein Minimum gedrückt und die Margenerträge der Institute fallen lassen. Filialschließungen bieten zwar Kostensenkungspotenzial, aber nur bis zu einem gewissen Grad. Denn Beratung und Kundennähe zählen heute zu den wichtigsten Differenzierungsmerkmalen im härter werdenden Wettbewerb. Einst simple Produktberatungen werden durch komplexe Beratungsgespräche mit mehrschichtigen Fragestellungen abgelöst, wobei höchste Anforderungen an die Qualität der Beratung gestellt werden. Gleichzeitig sind viele Kunden deutlich preisbewusster als früher – und schneller bereit, den Anbieter zu wechseln.
Die fristgerechte Umsetzung regulatorischer Anforderungen, wie Basel III, FATCA oder MiFID, stellt alle Banken vor enorme Herausforderungen. Der „regulatorische Tsunami“, wie der CEO der deutschen DZ-Bank, Wolfgang Kirsch, es unlängst formulierte, betrifft zwischenzeitlich alle Bereiche des Bankgeschäfts. Und er löst regelmäßig Stress in den Chefetagen der Banken aus, denn selten bleibt Zeit für die fristgerechte Anpassung.
Vorbild Automobilbranche
Banken können diesen Herausforderungen gerecht werden, indem sie sich auf ihre Kernkompetenzen beschränken und ihre Geschäftsprozesse optimieren. „Industrialisierung“ heißt die zukunftsweisende Formel. Wie das geht, hat etwa die Automobilindustrie vorgemacht: 1913 konnte Henry Ford mit der Einführung der Fließbandproduktion seine „Tin Lizzy“ auch für breite Massen erschwinglich machen. In den 1990er Jahren zeigten Womack, Jones und Roos in ihrer bahnbrechenden MIT-Studie, dass japanische Unternehmen bei deutlich höherer Qualität doppelt so effizient und wesentlich flexibler als ihre Konkurrenz in Europa und in den USA arbeiteten. Europas Automobilbauer reagierten prompt und stellten auf „Lean Production“ um: Die Produktionsprozesse wurden konsequent verschlankt, standardisiert und automatisiert, ein umfassendes Qualitätsmanagement wurde aufgebaut. Andere Teilprozesse lagerte man aus, um die Wertschöpfungstiefe zu reduzieren.
Nachholbedarf bei IT-Unterstützung
Mittlerweile adaptieren auch Banken die Konzepte industrieller Produktion. Im Mittelpunkt steht dabei die IT-Unterstützung der Geschäftsprozesse. So sind dem „Branchenkompass 2012 Kreditinstitute“ zufolge 93 Prozent der befragten deutschen und österreichischen Banker der Meinung, dass sie ihre IT und die vorhandenen Geschäftsprozesse (noch) stärker standardisieren müssten.
Zahlreiche Bankprozesse sind hoch repetitiv und personalintensiv und bieten daher hinreichend Raum für den Einsatz von Industrialisierungskonzepten. Mit der bloßen Automatisierung der Prozesse ist es aber nicht getan. Damit vorhandene Potenziale ausgeschöpft werden können, müssen die Prozessstrukturen zunächst entschlackt, konsolidiert und standardisiert werden. Anschließend wird automatisiert. Wo immer möglich, sollten (Teil-) Prozesse durchgehend automatisiert werden und im Hintergrund ablaufen.
Eine konsequent durchgeführte Prozessoptimierung und -automatisierung spart Kosten und trägt dazu bei, die Fehlerquote zu reduzieren. Bei der Optimierung von Back-Office-Funktionen werden zudem Mitarbeiter von Routinearbeiten entlastet. Die so gewonnenen Ressourcen können in der Kundenberatung eingesetzt werden. Am Ende eines Optimierungsverfahrens sind Geschäfts- und IT-Prozesse ideal aufeinander abgestimmt: Die Bank ist in der Lage, schnell und flexibel zu reagieren – bei niedrigen Kosten und mit hohen Qualitätsstandards.
Bestehende IT-Systeme sind oft zu komplex
Nicht alle IT-Systeme werden diesen Anforderungen gerecht. So bemängelt laut „Branchenkompass 2012 Kreditinstitute“ ein Großteil der befragten Banker die Komplexität ihrer IT-Systeme und sieht entsprechenden Optimierungsbedarf. Bei Banken lassen sich hinsichtlich der IT-Infrastruktur zwei grundlegende Ansätze unterscheiden: Erstens, eine homogene Systemlandschaft: Hierbei versuchen die IT-Verantwortlichen möglichst viele Anforderungen über das bestehende Kernbankensystem abzubilden, nur in Ausnahmefällen kommen Systeme anderer Hersteller zum Einsatz. Bei neuen Anforderungen wird ein neues Modul für das bestehende System eingeführt. Als Vorteile dieses Ansatzes werden häufig die einheitliche Datenbasis sowie die geringe Anzahl an Schnittstellen genannt. Kritiker bemängeln hingegen die hohe Abhängigkeit von einem einzelnen Anbieter und die mangelnde Flexibilität sowie die langen Reaktionszeiten auf veränderte Anforderungen.
Zweitens, der Best-of-Breed-Ansatz, bei dem die Bank in jedem Anwendungsbereich diejenige Software einsetzt, die die jeweiligen Anforderungen am besten erfüllt. Statt eines einzelnen Systems greift man auf eine Vielzahl spezialisierter Lösungen unterschiedlicher Anbieter zurück. Experten sehen in dieser Spezialisierung und der damit verbundenen Herstellerunabhängigkeit die Hauptvorteile dieses Ansatzes, warnen aber gleichzeitig auch vor Nachteilen: So führt die Vielzahl an Schnittstellen zu hohen Integrationskosten, und ganzheitliche Business-Prozesse lassen sich nur mit hohem Aufwand über die verschiedenen Systeme hinweg umsetzen.
Bosch setzt auf „BPM+“
Einen anderen Weg geht Bosch Software Innovations. Das 1997 gegründete und seit 2008 zum Bosch-Konzern gehörende Unternehmen hat sich längst auch bei Schweizer und Liechtensteiner Banken als Anbieter innovativer Software einen Namen gemacht. „BPM+“ nennt Bosch Software Innovations seinen Ansatz: Vorhandene Systeme bleiben weiterhin im Einsatz, beschränken sich aber auf ihre Kernfunktionen. Darüber hinausgehende Anforderungen werden hingegen über die BPM+ Software abgebildet. Das Plus steht dabei für die Verknüpfung von Business-Process- und Business-Rules-Management-Technologie. Mit der BPM+ Software lassen sich prozessgetriebene Anwendungen erstellen, in die Daten und Dokumente integriert sind. Zudem kann Fachlogik in Form von Geschäftsregeln abgebildet werden, was die Steuerung und Automatisierung selbst komplexer Unternehmensabläufe und -regeln ermöglicht.
Modellieren statt programmieren
Weltweit wird die Technologie von Bosch Software Innovations bereits bei rund 500 Projekten verwendet. So etwa in der Schweiz bei Raiffeisen, Coutts & Co., Post Finance, Bank Vontobel, Bank Julius Bär und der Zürcher Kantonalbank und in Liechtenstein bei der LGT Bank AG, der VP Bank sowie der Liechtensteinischen Landesbank. Typische Einsatzszenarien sind die Bereiche Compliance, Risikomanagement, Client-Onboarding, Stammdatenmanagement sowie Beratungs- und Vertriebsprozesse. Unternehmen greifen vor allem dann auf Bosch-Software zurück, wenn Flexibilität gefragt ist: Etwa bei Anforderungen, für die es keine Standardlösung gibt und solchen, die von Bank zu Bank stark variieren. Und natürlich dann, wenn Prozesse und Regeln häufig angepasst werden müssen. Denn die BPM+ Software gilt als ausgesprochen benutzerfreundlich und lässt sich auch von Fachanwendern ohne Programmierkenntnisse bedienen. „Modellieren statt programmieren“ heißt die Formel, auf die man bei Bosch Software Innovations setzt: Prozesse und Regeln werden nicht programmiert, sondern einfach mit einem Grafikeditor erstellt und anschliessend auf Knopfdruck als Anwendung zur Verfügung gestellt.
Gartner würdigt Bosch-Software als „visionary“
Die Vorteile liegen auf der Hand: Geschäftsprozesse und -regeln werden deutlich transparenter und sind flexibel anpassbar – unabhängig von Releasezyklen. Dies ermöglicht kurze Reaktionszeiten, etwa auf veränderte rechtliche Anforderungen oder makroökonomische Rahmenbedingungen, und eine deutlich verbesserte Einführungszeit (Time-to-Market). Dank einer Vielzahl von Konnektoren und standardisierten Schnittstellen lässt sich die BPM-Software problemlos in bestehende IT-Strukturen integrieren. Dieses Konzept überzeugte auch Gartner: Im Herbst 2012 würdigte das weltweit führende Marktforschungs- und Beratungsunternehmen für die Technologiebranche die Bosch-Software als „visionary“.
Automatisierung spart 2,9 Millionen Franken
Der deutschen Krankenversicherer HanseMerkur konnte durch den Einsatz der BPM+ Software von Bosch Software Innovations seine papierbasierten Leistungsabrechungsprozesse weitgehend industrialisieren. Heute werden die eingehenden Leistungsabrechnungen gescannt und automatisiert weiterverarbeitet. Dabei werden in 30 Prozent der Fälle weitergehende Prozesse, wie etwa die Auszahlung, einer Rechnung ohne manuelle Eingriffe eines Sachbearbeiters angestoßen. In den übrigen Fällen sind nur punktuell Dialoginteraktionen mit den zuständigen Angestellten erforderlich. Das Assekuranzunternehmen spart so jährlich rund 2,9 Millionen Franken. Gleichzeitig hat sich der Arbeitsschwerpunkt der Sachbearbeiter verlagert: Statt Daten zu erfassen und Rechnungen zu kontrollieren, können sie sich auf die Prüfung komplexer Sachverhalte und die Betreuung der Versicherten konzentrieren.
Fazit
Industrialisierung der Prozesse ist auch in der Finanzbranche längst kein Fremdwort mehr, sondern eine notwendige Investition in die Zukunftsfähigkeit der einzelnen Banken. Diese können mit innovativer BPM-Software ihre IT und ihre Geschäftsprozesse optimal aufeinander abstimmen und so Kosteneinsparungen sowie eine höhere Kundenorientierung erzielen.
Frank Vollmer
Erschienen in: Schweizer Bank, Ausgabe 4/2013
Das Foto zeigt ein Gebäude in der westenglischen Stadt Manchester.